Liebe Gemeinde, im Folgenden findet ihr die Andacht von V Lea zum heutigen Pfarrerabend, der der Frage “Was macht mich reich?” gilt. Viel Spaß beim Lesen!
In meiner Freizeit verbringe ich gerne mal etwas Zeit auf Youtube – manchmal mehr als mir lieb ist – und schaue dort gerne Videos des amerikanischen Jazzmusikers Charles Cornell. Dieser verfügt über ein sogenanntes absolutes Gehör, mit dessen Hilfe er u.a. (satirischerweise) ein Predigtvideo des amerikanischen Pastors Kenneth Copeland vertonte. Darin „bläst“ Copeland das Coronavirus hinfort und gibt an, die USA nun vom Coronavirus geheilt zu haben. Neben seinen, sagen wir mal, interessanten Ansichten zur Pandemie ist aber noch etwas anderes an Copeland interessant: Er ist Multimillionär und Anhänger der prosperity theology, zu Deutsch das „Wohlstandsevangelium“. Das heißt, dass sein Reichtum seiner Auffassung nach Gottes Wille ist, gar vorherbestimmt oder „Gegenleistung“ zu seinen religiösen Anstrengungen. Laut Wikipedia ist es in dieser Strömung fast wichtiger „eigene Segnungen zu erleben und Geschenke zu empfangen […] als Gott […] zu ehren.“
Ich finde das allein beleuchtet schon einen interessanten Aspekt zum Thema Reichtum, und zwar die Frage nach materiellen und geistigem bzw. geistlichem Reichtum und wie beides zusammen gedacht werden kann.
Die Bibel, besonders das Neue Testament, hat dazu eine klare Meinung. Da finden sich Sätze wie „Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.“ (Lk 12,15) oder „Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo Motten und Rost sie fressen und wo Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo weder Motten noch Rost sie fressen und wo Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ (Mt 6, 19-21). Und fast jeder kennt das Gleichnis vom Kamel und dem Nadelöhr. Das widerspricht natürlich vollkommen dem, was die Anhänger der prosperity theology glauben – das ist aber, denke ich, auch nicht weiter verwunderlich. Trotzdem ist es doch interessant zu gucken, wie eine Strömung im Christentum so entgegen der Bibel existieren kann. Wahrscheinlich sagt das auch viel über unsere Zeit aus: Gerade in der heutigen Zeit spielen Wohlstand und Reichtum eine besondere Rolle. Nicht nur in unserer Gesellschaft driften Arm und Reich immer weiter auseinander. Auch in der Welt klafft eine große Schere zwischen Arm und Reich: während wir in Deutschland z.B. darüber diskutieren, welche Bücher unsere Kinder lesen sollen, sammeln auf den Philippinen täglich tausende Kinder in hochgiftigen, biologisch toten Gewässern Plastikflaschen, an denen sie nicht mehr als täglich 90ct verdienen.
Hinzu kommt: Wir leben, zumindest in der westlichen Gesellschaft in einer, in der viele ihr Glück von weltlichen Reichtümern abhängig machen – wie ja auch die prosperity theology eindrücklich zeigt. Aber mal an die eigene Nase gefasst: Wer von uns will nicht auch, dass es ihm oder ihr gut geht – und noch mehr? Wir alle hängen doch irgendwie an den weltlichen Reichtümern, die uns gehören, unserer Kleidung, unserem Handy, unserem Geschirr, unserer Bettwäsche, usw. Und wer von uns wäre nicht gern selbst reich, wenigstens mal für einen Tag eine Villa mit Pool und keine Frage im Hinterkopf, wie man die nächste Miete bezahlen soll?
Doch sind wir nicht schon auf eine ganz andere Art und Weise reich?
Die letzten paar Tage habe ich das Buch Josua gelesen, also die Geschichte, wie Josua das Volk Israel über den Jordan in das ihnen versprochene Land führt. In einem Bibelkommentar über das Buch habe ich dann einen Satz gelesen, der erstaunlich gut zum heutigen Thema passt. Dort heißt es: „Die Überschreitung des Jordans ist oft als Symbol des Sterbens verstanden worden; hilfreicher und den Tatsachen mehr entsprechend ist jedoch, die Überquerung des Flusses als ein Sinnbild für den Eintritt in ein Leben der Fülle und des Segens zu verstehen, in welches der ‚Herzog unserer Seligkeit‘ (Hebr 2,10) uns schon jetzt führen will. Zur Erlösung gehören für den Christen auch Sieg, Reichtum und zur-Ruhe-Kommen ‚in Christus‘.“ Seitdem hat mich die Phrase „Reichtum in Christus“ gedanklich nicht mehr losgelassen. In einem haben die Wohlstandsevangelisten recht: Gott kann reich machen – aber eben nicht (nur) materiell!